KFZ-Versicherung: Leistungsfreiheit des Versicherers bei Nachtrunk?

 

In den Bedingungswerken der Kfz-Versicherer finden sich sog. Alkoholklauseln, die es den Versicherern bei Unfällen unter Alkoholeinfluss ermöglichen, ihre Leistungen zu kürzen oder sogar ganz zu verweigern.

 

So hat der Deutsche Verkehrsgerichtstag folgende Empfehlungen für die Kfz-Kaskoversicherung herausgegeben:

 

  • Alkoholwert zwischen 0,3 und 0,5 Promille: Es liegen keine Empfehlungen vor, eine Leistungskürzung kann individuell vom Versicherer bestimmt werden.
  • Alkoholwert über 0,5 bis 1,1 Promille: Der Versicherer kann 50% der Leistungen kürzen.
  • Alkoholwert über 1,1 Promille: Der Versicherer ist leistungsfrei.

 In diesem Zusammenhang war im Februar 2022 ein interessanter Fall vor dem OLG Braunschweig verhandelt worden (11 U 176/20).

 

Der Kläger war mit seinem PKW gegen eine Laterne gefahren und hatte sich anschließend direkt nach Hause begeben. Erst von dort aus informierte er die Polizei über den Unfall. Als diese nach der Unfallaufnahme bei dem Mann eintraf, war dieser betrunken. Er gab an, nach dem Anruf bei der Polizei zu Hause eine Flasche Wodka zu sich genommen zu haben. Die Blutalkoholkontrolle ergab einen Wert von 2,7 Promille.

 

Der Vollkaskoversicherer weigerte sich daher, für die Reparaturkosten des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs aufzukommen. Dies wurde damit begründet, dass der Versicherte seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt habe. Denn er habe durch den Nachtrunk vereitelt, dass sicher festgestellt werden konnte, welcher Alkoholisierungsgrad vor dem Unfall bei ihm bestanden hatte.

 

Ein Versicherter sei bedingungsgemäß dazu verpflichtet, nach Eintritt eines Versicherungsfalls alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen könne. Diese Obliegenheit erschöpfe sich nicht nur im Erteilen von Informationen. Sie erstrecke sich grundsätzlich auch auf das Verhalten des Versicherungsnehmers am Unfallort.

 

Dieser Argumentation schloss sich das Braunschweiger Oberlandesgericht an. Es wies die Klage des Verkehrssünders gegen seinen Vollkaskoversicherer als unbegründet zurück.

 

Diese Pflicht beinhalte, dass der Versicherte den Unfallort nicht verlassen darf, ohne zum Beispiel ermöglicht zu haben, den Grad einer möglichen Alkoholisierung feststellen zu lassen. Der Zweck dieser Obliegenheit bestehe darin, dem Versicherer die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen. Dazu gehöre auch die Feststellung von Tatsachen, aus denen sich eine Leistungsfreiheit ergeben kann, so die Richter.

 

Selbst durch einen geringen Nachtrunk verletze ein Versicherungsnehmer seine vertragliche Verpflichtung, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Weiterhin habe der Betroffene angesichts des von ihm verursachten Fremdschadens damit rechnen müssen, dass die Polizei Ermittlungen zu einem möglichen Alkoholkonsum vor dem Unfallereignis anstellt. Dies aber habe er aber durch den behaupteten Nachtrunk zumindest erschwert oder sogar vereitelt.

 

Sein Vollkaskoversicherer sei daher wegen einer Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls leistungsfrei.